Stille Größe

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Nachruf auf unser Jury-Mitglied Peter Hagmann (13.4.1950 – 5.6.2025)

17.06.2025 – Der Musikkritiker Peter Hagmann ist am 5. Juni im Alter von 75 Jahren gestorben. Der promovierte Musikwissenschaftler und diplomierte Organist war seit 1972 als Musikjournalist tätig. Seit 2004 wirkte er als Juror beim Preis der deutschen Schallplattenkritik mit, zuletzt in der Jury »Orchestermusik«.

1950 in Basel geboren, schrieb er zunächst für verschiedene Medien, darunter die »Basler Zeitung«, bevor er 1986 als Musikkritiker und Feuilletonredakteur zur »Neuen Zürcher Zeitung« ging. Mit seiner gleichermaßen kritischen wie zugewandten, stets dem Eigentlichen der Kunst verpflichteten Haltung hat Peter Hagmann 30 Jahre lang die klassische Musikberichterstattung in der NZZ geprägt. Auch nach seiner Pensionierung 2015 blieb er mit seinem privaten Blog »Mittwochs um zwölf« eine gewichtige Stimme der deutschsprachigen Musikkritik.

Peter Hagmann verstand die Bezeichnung »Musikkritiker« als Ehrentitel, nämlich als Verpflichtung, die Form der Fachkritik fortzuschreiben, die seit dem 18. Jahrhundert den Gang der Musikgeschichte begleitet und den Diskurs über ästhetische Fragen mitbestimmt hat. In seinen Artikeln, aber auch in Diskussionen über Fragen der Interpretation (wie dem »Quartett der Kritiker« des PdSK und vergleichbaren Formaten im SWR und auf SRF2 Kultur) pochte Hagmann stets darauf, dass Kritik einer belastbaren argumentativen Basis bedarf. Bloße Geschmacksurteile oder gar Ratings nach Klickzahlen lehnte er ab.

Denn für Hagmann stellte die Besprechung eines künstlerischen Ereignisses immer mehr dar als die subjektive Meinungsäußerung eines Einzelnen. Ihm ging es um nachvollziehbare, möglichst objektive Maßstäbe. Um seine Argumentation zu untermauern, machte er den Werktext zur Grundlage jeder Diskussion. Entsprechend häufig traf man ihn in Konzertsälen der Schweiz oder auch bei den Salzburger Festspielen mit Partituren auf den Knien an. Am Notentext maß er das Gehörte, aus ihm entwickelte er die Kriterien für seine Urteile, gerade auch bei der Beurteilung von Einspielungen. In dieser Hinsicht war und blieb Hagmann wissenschaftlichem Denken verpflichtet, kaum beeinflusst von Moden und Trends.

Peter Hagmann kannte indes auch die praktische Seite des Musizierens. Als diplomierter Organist wusste er und erfuhr es später als Jurymitglied und als Lehrbeauftragter in Bern und Zürich vermutlich regelmäßig, dass die technisch adäquate Umsetzung eines Notentextes nicht ohne weiteres zu bedeutenden Interpretationen führt. Zu dem, was Komponisten in ihren Partituren fixiert haben, muss etwas hinzukommen. Hagmann führte bei seinen Abwägungen immer auch musikhistorische und stilkundliche Überlegungen ins Feld. Denn ihm war bewusst, dass selbst noch der detaillierteste Notentext Deutungsspielräume lässt. Folgerichtig begeisterte sich Hagmann früh für die Idee der historisch informierten Aufführungspraxis, die er als entscheidende rezeptionsgeschichtliche Entwicklung des 20. Jahrhunderts begriff. Nikolaus Harnoncourt, der wichtigste Pionier dieses »Originalklangs«, vermittelte ihm die Standards, an denen er auch traditionellere Herangehensweisen maß.

Während seiner Jahre bei der NZZ hat er die rund 20-jährige Ära von David Zinman beim Tonhalle-Orchester Zürich publizistisch intensiv begleitet, ebenso das innovative Wirken von Claudio Abbado und Pierre Boulez am Lucerne Festival. Sein Interesse galt gleichermaßen der alten wie der neuesten Musik. Ebenso gern richtete er den Blick auf besondere Begabungen im Bereich des künstlerischen Nachwuchses. Trotz seiner schweren Erkrankung hat er das internationale Musikleben bis zuletzt aktiv verfolgt, immer getragen von einem ausgeprägten Verantwortungsgefühl gegenüber der Kunst. Noch für Mai hatte er neue Beiträge für seinen Kritiker-Blog angekündigt, in dem er auch regelmäßig über herausragende neue Einspielungen schrieb. An Themen mangelte es Peter Hagmann nie.

(Für den PdSK: Christian Wildhagen)

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