Nachtigall

Mit der Nachtigall – einer von dem Künstler Daniel Richter entworfenen Bronzeskulptur – zeichnet der PdSK e.V. herausragende Künstler aus, die unser Musikleben nachhaltig beeinflusst und zum Besseren gewendet haben – und noch wenden.

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2024

Nina Hagen  © GABO
© GABO

Nina Hagen

Ein Lebenswerk als Grenzgang. Nina Hagen startete im Osten, wurde erfolgreich im Westen und zog in die Welt des internationalen Entertainments. Ihr wild expressiver, humorvoll respektloser Gesangsstil der frühen Jahre setzte Maßstäbe für die deutsche Popkultur. Ihre schillernde ästhetische und gesellschaftlich engagierte Erscheinung sorgte für Diskussionen, zuweilen für Kontroversen. Nina Hagen ist eine famos streitbare Künstlerin, aber eben noch viel mehr. Sie kann betörend singen, punkig, im Schlagerton, opernhaft pathetisch, theatralisch markant. Sie verbindet Popwelten, bringt Menschen zusammen. Nina Hagen ist als Schauspielerin, Sprecherin aktiv, fordert Meinungen heraus, kantig und persönlich, empathisch und direkt. Sie ist Künstlerin und Kunstfigur bis in die feinen Fasern ihrer Existenz, eine der bekanntesten Musikerinnen Deutschlands. So steht Nina Hagen für ein durch und durch opulentes Lebenswerk, ein Feuerwerk. Für den Jahresausschuss: Ralf Dombrowski

2020

Brigitte Fassbaender  © Frank Leonhardt / dpa
© Frank Leonhardt / dpa

Brigitte Fassbaender

Blüte, Fülle, Leben, Liebe, Witz, Tiefe, Strenge, Wärme, Klarheit, Dunkelheit, Glut und Glanz, aber auch Anmut und Erotik, Wahrheit, Offenheit, Intelligenz, Unbedingtheit, Menschlichkeit: Es sind viele, teils einander ausschließende Begriffe, mit denen sich die unverwechselbare Jahrhundertstimme der Mezzosopranistin und Altistin Brigitte Fassbaender beschreiben ließe – keiner trifft es ganz. Zum Glück gibt es Tonträger, auch wenn sie das Live-Erlebnis nicht ersetzen. Über 250 Schallplatten, Oper und Lied, von Bach bis Schönberg, von Gluck bis Strauss (und Strauß) hat Fassbaender aufgenommen im Laufe ihrer Bühnenkarriere, die sie einundzwanzigjährig im Ensemble der Bayerischen Staatsoper begann und 1995 überraschend, aber konsequent beendete, weil »ein langsames Ausklingen« für sie nicht in Frage kam: »Ich wollte in Topform zurücktreten«. Mit Liebe, Witz, Strenge, Offenheit, Intelligenz usw. (siehe oben) baute sie sich eine zweite, beispiellos erfolgreiche Karriere auf, als Regisseurin und Opernintendantin, die noch längst nicht zu Ende ist: Zur Zeit erarbeitet Fassbaender für die Festspiele in Erl erstmals Wagners »Ring«. Für den Jahresausschuss: Eleonore Büning

Im Festspielhaus in Erl wurde am 10. Juli 2021 die Nachtigall-Preisträgerin Brigitte Fassbaender gefeiert – gleich im Anschluss an die Premiere ihrer neuen Rheingold-Inszenierung.

2017

Udo Lindenberg  © Tina Acke
© Tina Acke

Udo Lindenberg

Am 17. Mai 2016 feierte er seinen siebzigsten Geburtstag, doch seinem Album »Stärker als die Zeit«, das wenige Wochen vorher auf den Markt kam, merkt man das Alter des Künstlers nicht an. Udo Lindenberg ist dank seiner Musik jung und fit geblieben. Sein Lebenswerk ist immens – vielfältig, mutig, intelligent, unterhaltsam, liebenswert, experimentierfreudig. Er hat gezeigt, dass Rockmusik auch mit deutschsprachigen Texten funktioniert und Sprücheklopfen witzig sein kann. Seiner schnoddrigen Attitude wegen könnte man Lindenbergs untrügliches Sprachgefühl leicht übersehen. Doch er ist einer der besten deutschsprachigen Textdichter unserer Tage. Legionen von Kollegen, ob Westernhagen oder Waggershausen, lernten von ihm. Mit seinem Panik-Orchester gab er einst dem Tango die Ehre, »Rudi Ratlos« hieß der Geiger. Er fuhr 1983 im »Sonderzug nach Pankow«, um später Erich Honecker Lederjacke und Gitarre zu schenken (»Gitarren statt Knarren«), und trat als Maler sowie als Pate für ein Edellikörsortiment in Erscheinung. Den ersten Echo für sein Lebenswerk bekam Udo Lindenberg 1992, zwei weitere folgten. Er hat auch schon das Bundesverdienstkreuz, die Goldene Stimmgabel, die Goldene Europa, die Goldene Henne, die Goldene Kamera, jede Menge Goldene Schallplatten, einen Bambi und einen Sack voll weiterer Preise. Da fehlt nur noch eine einzige, eine einzigartige Auszeichnung – und das ist die »Nachtigall« vom Preis der deutschen Schallplattenkritik. Dieser spezielle Vogel, eine vergoldete Bronzeskulptur des Künstlers Daniel Richter, ist nicht nur ein Kompliment der Kritiker vom Fach an den Großmeister seines Fachs. Ein Kunstwerk, limitierte Edition, macht sich auch in jedem Trophäenschrank gut. Für den Jahresausschuss: Manfred Gillig-Degrave

2016

Nikolaus Harnoncourt (posthum)  © Marco Borggreve
© Marco Borggreve

Nikolaus Harnoncourt (posthum)

Eines der vielen schönen Bilder, die der Dirigent Nikolaus Harnoncourt benutzte, wenn er über Musik sprach und erklären wollte, was in Worten eigentlich nicht zu fassen ist, war das Bild vom »Knödel«. Die Harnoncourtsche »Knödeltheorie« besagt, dass ein idealer Knödel immer rund sein sollte, weshalb für jede Zutat, die man entfernt, zwangsläufig eine andere Zutat hinzukomme, und umgekehrt. Auf die Interpretation von Musik übertragen erfordert dies eine Haltung, die ebenso stark und bewusst das Bekenntnis zu Innovation impliziert wie das zur Tradition: ohne Fortschritt kein Rückblick, ohne Geschichte keine Zukunft. Damit erklärt es sich, dass Harnoncourt als Musiker und als Mensch bei allen Extremen, die er ansteuerte und trotz aller Widersprüche, denen er sich im Laufe seiner Karriere aussetzte, doch stets absolut mit sich identisch blieb. Er war vital, streitbar, penibel, lebendig, aufrichtig, emphatisch, konsequent und unbeugsam, doch alles andere als dogmatisch. Ob als junger Cellist unter Karajan, bei den Wiener Symphonikern; ob als Begründer und Leiter des mit Originalinstrumenten der Barockzeit experimentierenden Concentus Musicus, einer der führenden Pioniergruppen der sogenannten historisch informierten Aufführungspraxis; ob als Musikforscher oder Musikphilosoph, als Lehrer und Präceptor am Salzburger Mozarteum; oder, und das vor allem, wenn er am Pult stand: gleichviel, ob Harnoncourt »Aida« von Verdi einstudierte oder den »Orfeo« von Monteverdi, ob er Bach oder Bruckner oder Bartók dirigierte, ein Jugendorchester oder die Berliner Philharmoniker oder seinen Concentus vor sich hatte, er blieb seinen Maximen treu. Die Klangrede der Musik analysierte und benutzte er, im Schumann’schen Sinne, als eine Sprache jenseits und über den Sprachen. Mit seiner unkonventionellen Bandbreite an Repertoire, aber auch mit seinem außerordentlichen Esprit und seiner couragierten Haltung wurde Harnoncourt epocheprägend für ein Zeitalter, in dem die Tonaufnahme das Konzertleben überformte, was er nicht ohne kritische Anmerkung zur Kenntnis nahm, ganz im Sinne der Knödeltheorie: »Eindeutig«, so Harnoncourt, »ist der Preis für mehr Sicherheit fast immer weniger Schönheit.« Für den Jahresausschuss: Eleonore Büning

Nachbemerkung: In der Interimszeit zwischen dem Beschluss der Juroren im Jahresausschuss und dieser Meldung verstarb Nikolaus Harnoncourt am 5. März 2016 im Alter von 86 Jahren. So wurde aus der Laudatio ein Nachruf. Der PdSK ehrt ihn als Nachtigall-Preisträger posthum.

2015

Leonard Cohen  © Dominique Issermann
© Dominique Issermann

Leonard Cohen

»Hallelujah« gehört zu den am häufigsten interpretierten Stücken der Post-Woodstock-Ära, und »Suzanne« ist quasi Volksgut geworden: Mit seinem Schaffen prägte Leonard Cohen Generationen von Musikern, von Nick Cave bis Wolfgang Niedecken. Kurz vor seinem 80. Geburtstag am 21. September 2014 veröffentlichte er das Album »Popular Problems«, das er seinem langjährigen Zen-Lehrer Kyozan Joshu Sasaki Roshi widmete, der am 27. Juli 2014 im Alter von 107 Jahren verstorben war. Im Vergleich dazu ist der Kanadier geradezu jung, auch wenn seine Stimme ein wenig brüchiger und rauher tönen mag. In Montreal als Sohn eines jüdischen Textilkaufmanns geboren, veröffentlichte Cohen 1956 mit »Let Us Compare Mythologies« den ersten Gedichtband; mit den Romanen »The Favourite Game« (1963) und »Beautiful Losers« (1966) festigte er seinen Ruf als Dichter und Schriftsteller. Doch dann stellte er sich als Singer/Songwriter auf die Bühne, später verarbeitete er vom Blues bis zum dezenten Soul-Groove noch andere Stile. 1967 erschien das Debütalbum »Songs Of Leonard Cohen«, es wurde zum Welterfolg. Seitdem ist der Musikmagier im Maßanzug mit seinen oft melancholischen, mystischen und manchmal auch monotonen Liedern ein Monolith in der Hall of Fame der Popkultur. Für den Jahresausschuss: Manfred Gillig-Degrave

2014

Christian Gerhaher  © Jim Rakete / Sony
© Jim Rakete / Sony

Christian Gerhaher

Dieser Sänger ist ein Geschenk. Sobald er singt, versinkt die Welt. Vor allem kann man, was je an Menetekeln über die Krise der Gesangskunst im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit gesagt oder geschrieben wurde, auf der Stelle vergessen, da es durch den Bariton Christian Gerhaher schlechterdings widerlegt, ja, gegenstandslos gemacht wird. Gesangstechnisch kennt sein Können keine Grenzen. Die musikalische Intelligenz, mit der er seine farbenreiche, hell timbrierte Baritonstimme führt und jede feinste Ton- und Textfaser durchgestaltet, ist überragend. Ganz ohne Beispiel aber in seinem Fach steht Christian Gerhaher da, wenn es um die Vielseitigkeit seines Repertoires geht. Er ist nicht nur einer der großartigsten Liedsänger unserer Tage, wenn nicht: der beste. Er singt mit der nämlichen pathosfreien Hingabe und superlativischen Unbedingtheit auch Oper, Oratorium und Operette, alte wie neue Musik: Gerhaher ist der tragikomischste Eisenstein, der glühendste Prinz von Homburg, die verlorenste Pelléas-Seele, der treueste Wolfram von Eschenbach. Und alles, was er singt, wird lebendig und wahr. Dies ist vielleicht das Schönste und Höchste, was man einem Musiker überhaupt bescheinigen kann: Authentizität. Für den Jahresausschuss: Eleonore Büning

Christian Gerhaher wurde am 5. August 2014 im Rahmen der Salzburger Festspiele mit der Nachtigall 2014 geehrt.

2013

Irène Schweizer  © Keystone
© Keystone

Irène Schweizer

Irène Schweizer wurde 1941 in Schaffhausen geboren – seit einem knappen halben Jahrhundert ist sie das Aushängeschild des schweizerischen Jazz. Künstlerische und persönliche Integrität, ihr freundliches Wesen, ihre kreative Unruhe, ihr Organisationstalent, ihre Vielseitigkeit und ihre Präsenz in den verschiedensten Verbindungen und natürlich, über allem, ihre Entwicklung als Pianistin machen sie zu einer der spannendsten Figuren des Jazz. Schon Mitte der sechziger Jahre löste sie sich vom Mainstream und wurde unter dem besonderen Einfluss von Cecil Taylor mit unbezähmbarer Neugier eine der wichtigsten Europäerinnen in der großen Aufbruchsstimmung der freien Jazzentwicklungen. Sie gründete die »European Women’s Improvising Group«, sie wirkte mit bei der Organisation mehrerer Schweizer Festivals. Der jüngste Triumph in ihrer Karriere liegt noch nicht lange zurück: 2011 bereitete ihr das Publikum Ovationen in der Zürcher Tonhalle, deren Flügel für ihren Solo-Auftritt erstmalig freigegeben wurde für den Jazz. Irène Schweizer spielte in diesem Konzert auch Fremdkompositionen, wie sie auch sonst scheinbar disparate Elemente mit höchstem Unterhaltungswert und künstlerischer Logik in- und aneinander zu fügen weiß. Für den Jahresausschuss: Ulrich Olshausen

2012

RIAS-Kammerchor  © Matthias Heyde
© Matthias Heyde

RIAS-Kammerchor

In Zeiten, da Rundfunkintendanten immer wieder laut über Fusionen oder Amputationen ihrer Klangkörper nachdenken, kann die Devise für öffentlich-rechtliche Musiker nur lauten: Machen wir uns unentbehrlich! Genau dies gilt für den RIAS-Kammerchor in Berlin nun schon seit über sechzig Jahren. Als ein echter Kammerchor ist er, fern der chorsymphonischen Expansion, für Artistik auf kleinem Raum zuständig, ein Vorzeige-Ensemble für Musik für Monteverdi bis Janáček, von Händel bis Rossini, von Bach bis Henze. Unter Chorleiter Hans Christoph Rademann hat er seine Individualität und Perfektion weiter schärfen und auch die Diskographie abermals erweitern können, die, höchst vielseitig, die herausragende Stellung des RIAS-Kammerchores unter den Berufschören eindrucksvoll belegt. Für den Jahresausschuss: Wolfram Goertz

Die Preistrophäe »Nachtigall« wurde im Rahmen des Neujahrskonzerts am 1.1.2013 in der Philharmonie Berlin überreicht. Die Laudatio hielt René Jacobs.

2011

Murray Perahia  © Felix Broede
© Felix Broede

Murray Perahia

Seit Jahrzehnten ist Murray Perahia bekannt als ein ebenso umsichtiger wie sensibler Erforscher der Klavierwelten, mit einem breiten Repertoire, vom Barock bis in die Spätromantik. Ob bei Bach, Mozart, Beethoven, Schubert oder bei Chopin und Brahms: Perahia entwickelt nie vordergründige Dramen, er inszeniert Innerlichkeit. Sein poetisch inspirierter Anschlag, seine bis in Nuancen der Phrasierung durchdachte Artikulation und die Balance haarfeiner Klangrelationen zeichnen Perahias Interpretationen aus und führen zu einem Vortragsstil, der auffallend von Gesanglichkeit geprägt wird. Die von Murray Perahia vorgelegten Einspielungen haben über einen langen Zeitraum seine Ausnahmestellung im internationalen Klavierbetrieb bestätigen können. Für den Jahresausschuss: Christoph Vratz

Die Nachtigall wurde am Mittwoch, 7. September 2011, anlässlich eines Konzerts in der Alten Oper Frankfurt verliehen.

Die Laudatio zum Nachlesen

2010

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen  © Oliver Reetz
© Oliver Reetz

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Exemplarische Kulturvermittlung und künstlerische Vielseitigkeit sind seit dreißig Jahren Gütesiegel der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Mit sorgfältig durchdachten, fulminant musizierten Programmen hat sich das von seinen Mitgliedern als eigenständiges Unternehmen geführte Ensemble international eine außerordentliche Reputation erworben. Davon zeugen nicht zuletzt die von Bach bis zu zeitgenössischen Komponisten reichenden Einspielungen für den Klassikmarkt. Bisheriger Höhepunkt ist das 2009 abgeschlossene, mit dem Chefdirigenten Paavo Järvi verwirklichte und klangtechnisch superb im mehrkanaligen 5.1-Verfahren aufgezeichnete Beethoven-Projekt, dem sich nun eine ebenso ambitionierte Einspielung aller Schumann-Sinfonien anschließt.

Biografie: 1980 gegründet, war Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen zunächst ein Zusammenschluss außergewöhnlicher Musikstudenten, die sich eine basisdemokratische Verfassung gaben. 1987 als professionelles Kammerorchester in Frankfurt institutionalisiert, hat das Ensemble seit 1992 seinen Sitz in der Freien Hansestadt Bremen. Für den Jahresausschuss: Ludolf Baucke

Der Ehrenpreis und die erste Nachtigall im Entwurfsstadium wurde am Samstag, 11. September 2010 im Rahmen des Beethovenfestes Bonn anlässlich eines Konzerts der Kammerphilharmonie mit Paavo Järvi in der Beethovenhalle verliehen.

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