Bestenlisten

Mit einem Platz auf der Bestenliste werden vierteljährlich die besten und interessantesten Neuveröffentlichungen der vorangegangenen drei Monate ausgezeichnet. Bewertungskriterien sind künstlerische Qualität, Repertoirewert, Präsentation und Klangqualität. Die Longlists sind ab 2014 direkt bei jeder Bestenliste hinterlegt.

NEU: Longlist 2/2024, veröffentlicht am 5. April 2024

Bestenlisten

Orchestermusik und Konzerte

Dmitri Schostakowitsch: Symphonie Nr. 7 C-Dur op.60 (Leningrader)

City of Birmingham Symphony Orchestra, Andris Nelsons. Orfeo C 852 121 A

Ganz ohne vaterländisches Pathos, aber mit großer Eindringlichkeit präsentieren Andris Nelsons und sein konzentriert aufspielendes Orchester die »Leningrader Symphonie« und holen so Schostakowitschs Siebte aus der Zeit- und der Musikgeschichte in die klingende Gegenwart. Nicht nur im Kopfsatz hochspannend. Hier wird zügig und zielstrebig musiziert. Für die Jury: Rainer Wagner

Orchestermusik und Konzerte

Wolf-Ferrari: Violinkonzert / Benjamin Schmid

Ermanno Wolf-Ferrari: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 26, Orchestermusik aus den Opern »Il campiello«, »Le donne curiose«, »L’amore medico« und »I quattro rusteghi«. Benjamin Schmid, Oviedo Filarmonia, Friedrich Haider. Farao classics B 108 069

Diese Aufnahme ist ein glühendes Plädoyer für das hochromantische, aber immer noch wenig beachtete Violinkonzert von Ermanno Wolf-Ferrari; zugleich eine außergewöhnlich gut dokumentierte Edition und eine Hommage an Guila Bustabo, die große amerikanische Geigerin und Widmungsträgerin des Werks. Man spürt: Interpreten und Produzenten war es eine Herzensangelegenheit. Für die Jury: Norbert Hornig

Kammermusik

August Klughardt – Pleyel Quartett Köln

August Klughardt: Streichquartett F-Dur op.42, Klavierquintett g-moll op.43. Pleyel Quartett Köln, Tobias Koch. CAvi-music 855 3248 (harmonia mundi)

August Klughardt, eine halbe Generation nach Brahms und Wagner, gehörte keiner Schule an, aber kompositorisch eiferte er beiden nach. So sitzt seine Musik also quasi zwischen allen Stühlen – und das ist genau der Platz, auf dem sie von der Nachwelt am leichtesten übersehen wird. Um letzteres zu ändern, spielten das Kölner Pleyel Quartett und der Pianist Tobias Koch nun erstmals zwei von Klughardts avantgardistischen Kammermusiken mit historischen Instrumenten ein. Eine temperamentvolle, scharf konturierte Lesart, wobei im g-moll-Quintett das Klangbild des Erard-Flügels sehr schön dominiert. Für die Jury: Eleonore Büning

Tasteninstrumente

Yevgeny Sudbin – Liszt, Ravel, Saint-Saëns

Franz Liszt: Funérailles, Études d’exécution transcendante Nr. 10 und 11, Tre Sonetti del Petrarca; Maurice Ravel: Gaspard de la nuit; Camille Saint-Saëns: Danse macabre. Yevgeny Sudbin. BIS Records 1828 (Klassik Center)

Von »Liebe, Delirium und Tod« schreibt Yevgeny Sudbin im Beiheft, dies seien die wesentlichen Themen seines neuen Albums. Es präsentiert Werke, die ihre Expressivität fast ausschließlich aus literarischen Vorbildern schöpfen. Dabei sind Sudbin Interpretationen gelungen, die in ihrer Klangsinnlichkeit und Sanglichkeit bestechen. Dieser Pianist forciert nichts, er vertraut der Kraft der Partituren – und bringt die Musik gerade dadurch zum Sprechen. Für die Jury: Gregor Willmes

Tasteninstrumente

Johann Sebastian Bach: Sämtliche Orgelwerke

gespielt auf Silbermann-Orgeln. Ewald Kooiman, Ute Gremmel-Geuchen, Gerhard Gnann, Bernhard Klapprott. 19 SACDs. Aeolus AE-10761 (Note 1)

Mit dieser opulenten Produktion ist nicht nur eine musikalisch luxurierende Darstellung des gesamten Bachschen Orgelwerkes gelungen, sondern zugleich ein besonders eindrucksvolles und hochwertiges Klangportrait der Silbermann-Dynastie im Elsass. Ute Gremmel-Geuchen, Gerhard Gnann und Bernhard Klapprott setzen mit immer hörbarer Spielfreude das fort, was ihr gemeinsamer Lehrer Ewald Kooiman tragischerweise nicht beenden konnte. Ein audiophiles Prachtexemplar! Für die Jury: Martin Hoffmann

Oper

Leonardo Vinci: Artaserse

Philippe Jaroussky, Franco Fagioli, Max Emanuel Cencic, Valer Barna-Sabadus, Concerto Köln, Diego Fasolis. 3 CDs. Virgin Classics 509 9960 28692 5 (EMI)

Hier stimmt einfach alles: Diese Einspielung von Leonardo Vincis »Artaserse« besticht nicht nur durch die unbändige Spielfreude des Dirigenten Diego Fasolis, sondern auch durch ein Solisten-Ensemble, das den Countergesang im 21. Jahrhundert auf ein neues Niveau hebt. Unbekanntes Repertoire, hervorragend interpretiert. Für die Jury: Bjørn Woll

Oper

Jacques Offenbach: Un mari à la porte

& Les fables de la Fontaine. Anaik Morel, Gabrielle Philiponet, Stéphane Malbec-Garcia u.a. Royal Liverpool Philharmonic Orchestra, Vasily Petrenko. Liverpool LP OFF CD00211 (Naxos)

Vasily Petrenko kriegt Offenbach in Liverpool ganz wundersam in Schwung, er zeigt die idiomatische Weltläufigkeit dieser französischen Operetten-Einakter und zettelt auch ohne Stars ein fulminantes Sängertheater an. Für die Jury: Kai Luehrs-Kaiser

Chor und Vokalensemble

Arnold Mendelssohn: Deutsche Messe op.89

& Motetten zur Weihnacht opp.90,5 & 90,9 & 90,10. SWR Vokalensemble Stuttgart, Frieder Bernius. Hänssler SACD 93.293 (Naxos)

Die 1922 entstandene Deutsche Messe von Arnold Mendelssohn, spätgeborener Neffe des großen Felix Mendelssohn Bartholdy, ist ein leidenschaftliches Bekenntnis zur zeitüberschreitenden Wahrheit einer musikalischen Form, die keine Avantgarde dieser Welt aushebeln kann. Das SWR-Vokalensemble singt unter der charismatischen Führung von Frieder Bernius in gewohnter Präzision und profunder musikalischer Inspiration. Für die Jury: Helmut Mauró

Klassisches Lied und Vokalrecital

Romantische Arien – Christian Gerhaher

Opernarien von Richard Wagner, Franz Schubert, Robert Schumann, Otto Nicolai und Carl Maria von Weber. Christian Gerhaher, Maximilian Schmitt, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Daniel Harding. Sony 88725422952

Ein Arien-Programm, das die Kenner hoch erfreut und, trotz dieser alles nur Gefällige meidenden Sammlung von Raritäten, doch auch einem großen Publikum Vergnügen bereitet. Christian Gerhaher bildet, das prägnant artikulierte Wort in den Klang einbettend und ein dichtes Legato wahrend, exemplarisch phrasierte Wort-Ton-Phrasen. Ein höchstwertiges Beispiel für den von Wagner verlangten vaterländischen Belcanto – für einen Gesang, der aus der deutschen Sprache entwickelt ist. Für die Jury: Jürgen Kesting

Alte Musik

Arcangelo Corelli: Triosonaten

op. 4, Nr. 1-12, Rom 1694. Ensemble Aurora, Enrico Gatti. 2 CDs. Glossa GCD 921207 (Note 1)

Frische und Klarheit dieser Einspielung schaffen eine starke Präsenz. Dies gelingt Enrico Gatti und seinem Ensemble Aurora durch eine Gleichmäßigkeit der Tongebung, die man gezügelt nennen muss, aber auch durch die solistische Besetzung. Der Reiz dieser Interpretation liegt darin, dass man die Spannung nicht aus einer manierierten oder forcierten Spielweise bezieht, vielmehr aus einer Konzentration auf die Tonsatzstrukturen der Triosätze. Für die Jury: Matthias Hutzel

Zeitgenössische Musik

Yann Robin: Vulcano, Art of Metal I, III

Alain Billard, Ensemble intercontemporain, Susanna Mälkki, IRCAM-Centre Pompidou. Kairos 0013262 KAI (harmonia mundi)

»Vulcano« heißt das Album, vulkanmäßig klingt es: zunächst untergründig-elementar, dann eruptiv-gewaltig. Und wem diese Beschreibung zu plakativ erscheint, der lasse sich bitte direkt von den Klängen des Franzosen Yann Robin erschüttern! Verdienstvoll das Ensemble Intercontemporain unter Susanna Mälkki, das drei seiner Werke erstmals aufgenommen hat. Für die Jury: Thomas Meyer

Historische Aufnahmen

The Second Viennese School Project

Werke von Arnold Schönberg, Alban Berg, Anton Webern und Johann Strauss Sohn. Suzanne Danco, Rudolf Kolisch, Eduard Steuermann, Winfried Zillig, Else C. Kraus, Peter Stadlen, Tibor Varga, Vegh-Quartett, Berliner Philharmoniker, RSO Berlin, Ferenc Fricsay u. a. audite 308 3643 (edel)

Bis heute gilt die Musik der sogenannten zweiten Wiener Schule rund um Arnold Schönberg als schwierig. Dass der Zugang nicht schwerfallen muss, haben die Produzenten von RIAS Berlin schon vor einem halben Jahrhundert bewiesen: Musiker, die großteils ihr Wissen über die Interpretationen von Werken Schönbergs, Bergs und Weberns noch aus erster Hand erhalten haben, schrieben für das Radio Interpretationsgeschichte. Nun stehen ihre Aufnahmen auf CD zur Verfügung. Erstaunlich, dass manches bis heute nicht klarer, transparenter, ja, »musikantischer« realisiert worden ist! Für die Jury: Wilhelm Sinkovicz

Grenzgänge

Daniel Kahn & The Painted Bird: Bad Old Songs

Oriente Musik Rien CD 84 (Fenn Music)

Im letzten dieser alten bösen Lieder heißt es: »The Marquis de Sade is dancing with a hippy«. Doch bei Daniel Kahn & The Painted Bird tanzt noch ganz anderes. Da rocken Robert Schumann und Heinrich Heine mit der Stromgitarre übers Parkett, Klezmer und Punk reichen sich die Hände, Franz Josef Degenhardt und Leonhard Cohen laden einander zum Stelldichein. Und das Tollste: Dieser Wirbel der Stilrichtungen klingt bei Kahn so, als habe alles schon immer zusammengehört. Für die Jury: Wolfgang Behrens

Filmmusik

Danny Elfman: Frankenweenie

Walt Disney Records 2326922 (EMI)

Die äußerst fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Tim Burton und dem Komponisten Danny Elfman zeigt auch nach einem Vierteljahrhundert keine Abnutzungserscheinungen. Der frühere Popmusiker Elfman findet auch im jüngsten gemeinschaftlichen Wurf »Frankenweenie« passgenaue Klangwelten für Burtons skurrile Bildgespinste. Der traditionelle Orchesterklang mit stilsicheren Reminiszenzen an die Genremusiken der fünfziger Jahre wird durch ironische Überhöhungen und flotte Rhythmik bereichert und bleibt dabei stets melodisch. Das ist Filmmusik zum Zuhören und Mitsummen. Für die Jury: Uwe Mies

Musikfilm

»Knowledge is the Beginning« (1999) & »The Ramallah Concert« (2005).

Daniel Barenboim und das West-Eastern Divan Orchestra. Ein Dokumentarfilm von Paul Smaczny, aufgenommen in Weimar, Buchenwald, Sevilla, Cordoba, Rabat, Genf, Ramallah und Jerusalem. 2 DVDs. EuroArts 205 4338 (Naxos)

Nicht die musikalische Perfektion oder die visionäre künstlerische Leistung der Interpreten machen diese Dokumentation von Paul Smaczny so wertvoll. Sie zeigt vor allem, dass Musik und Musizieren eine mühelos Kulturen und Generationen verbindende »lingua franca« sein kann. Die romantische Idee einer friedlichen, besseren Welt wird dabei weder verraten noch verkitscht. Für die Jury: Wolf-Christian Fink

Musikfilm

Lucky Peterson Band featuring Tamara Peterson

Live at the 55 Arts Club Berlin. 3 DVDs und 2 CDs. Blackbird BR 201210 (soulfood)

Ein Magier ist Lucky Peterson, ein Publikumsbeschwörer, ein ausgebuffter Entertainer. Er weiß genau, wie man einen Club zunächst zum Brodeln und dann zum Kochen bringt. Da faucht die Hammond B3, da rollt der Bass, peitscht das Schlagzeug, es weinen, greinen, jaulen die Gitarren, und nach der Hälfte der Songs übernimmt Luckys Ehefrau Tamara den Gesangspart. Hart und funky ist der Blues des Quartetts: urbane Unterhaltungsmusik, energiegeladen, reich an Breaks und Stopps. Die Bildführung der DVD beobachtet das musikalische Geschehen aufmerksam, unaufdringlich. Für die Jury: Werner Stiefele

Jazz

Grant Stewart: Live at Smalls

Mit Tardo Hammer, David Wong, Phil Stewart. Smalls Live SL 0029 (New Arts International)

Respekt vor der Tradition, ein musikantisch wie musikalisch überbordendes Temperament, die Lust, den Klassikern des »Great American Songbook« auf die Notenköpfe zu fühlen und sie anschließend wild durcheinander zu wirbeln – all das zeichnet das Spiel des Tenorsaxophonisten Grant Stewart aus. Sein jüngstes Album (»Live at Smalls«), im April 2012 in einem Jazzclub im Greenwich Village aufgenommen, ist ein weiterer Beweis für das Talent des Künstlers, die Vergangenheit in der Gegenwart funkeln zu lassen. Für die Jury: Rainer Nolden

Jazz

Heinz Sauer – Michael Wollny

Don’t Explain. ACT 9549-2 (Edel)

Alles an diesem Duo erscheint staunens- und bewundernswert. Zunächst fasziniert, wie sich zwei Jazzmusiker weit auseinander liegender Jahrgänge – der seit den sechziger Jahren wegweisende deutsche Saxophonist Heinz Sauer und der zu den größten Entdeckungen des jungen deutschen Jazz zählende Pianist Michael Wollny – ergänzen und entsprechen. Ihre Zusammenarbeit hat im Lauf der Zeit an Reife gewonnen, ohne die Frische zu verlieren. »Don’t Explain« dokumentiert in einem Live-Mitschnitt sensible Nachdenklichkeit und spontane Expressivität. Die beiden weben aus Themen unterschiedlicher Herkunft eigene Geschichten und öffnen sich dabei vorbehaltlos der freien Improvisation, ohne je den Faden zu verlieren. Dabei reagieren sie mit einem für feinste Schwingungen geschärften Sinn aufeinander. Und wissen sich eins mit dem Publikum wie auch mit der Besonderheit des Raumes, der Stadtkirche Darmstadt mit ihrem spätgotischen Chor-Gewölbe aus dem 14. Jahrhundert. Für die Jury: Bert Noglik

Weltmusik

Criolo: Nó Na Orelha

Sterns Brasil STCD2023 (Rough Trade)

Criolo stammt aus der HipHop-Szene der brasilianischen 20-Millionen-Metropole São Paulo. Er gilt als Sprachrohr der Elendsviertel, der Favelas, und als ein Anti-Schöngeist. Zugleich ist er eine Integrationsfigur: »Nó Na Orelha« (»Knoten im Ohr«) vereint Underground und Mainstream. Spannende Verbindungen von afro-brasilianischen Traditionen, moderner Black Music nordamerikanischer Prägung und karibischen Rhythmen eröffnen neue musikalische Horizonte, engagierte Texte von beachtlicher literarischer Qualität und messerscharfe Gesellschaftskritik setzen neue inhaltliche Maßstäbe. Für die Jury: Rainer Skibb

Traditionelle Ethnische Musik

Urna: Portrait

The Magical Voice from Mongolia. Network Medien NM495137 (Membran)

Urna singt von der endlosen Steppe, den Pferden Dschingis Khans, Lämmern und Kamelen, und doch transportiert diese Musik ein modernes Weltgefühl. Man hört eine Vier-Oktaven-Stimme mit unfassbar schönen Nuancen, Gesänge von unerhörter Stille, Lieder, die seit 2005 durch das Prädikat der Unesco geadelt sind. Für die Jury: Jan Reichow

Liedermacher

Heike Kellermann: Beziehungs-weise

Conträr 973542 (Indigo)

Der Musiktherapeutin, Sängerin und Multi-Instrumentalistin Heike Kellermann gelingt es, Gedichte von Theodor Kramer, Robert Gernhardt, Eva Strittmatter und weiteren Autoren kongenial zu vertonen. Für jeden Text findet sie eine treffende musikalische Umsetzung: mal heiter leicht, mal melancholisch eindringlich. »Beziehungs-weise« ist eine Liedermacher-CD, die unter die Haut geht. Für die Jury: Hans Reul

Folk und Singer/Songwriter

Stockholm Lisboa Project: Aurora

Westpark Music WP 87235 (Indigo)

In diesem Quartett mischen sich Portugiesen und Schweden, aber ihre Musik ist keine »Fusion«, vielmehr echt portugiesisch zum einen und zugleich absolut schwedisch zum anderen Teil: Die hervorragende Sängerin Micaela Vaz singt poetische portugiesische (Volks-)Lieder auf eine zutiefst anrührende Weise. Die Musikanten begleiten sie kreativ und streuen auch immer wieder schwedische Tänze ein: dezent, geschmackvoll, hochmusikalisch. Und alles passt harmonisch zusammen. Für die Jury: Manfred Bonson

Pop

Bob Dylan: Tempest

Columbia 88725465412 (Sony)

Mit der berühmten, markant brüchigen Stimme, dabei wortgewaltig wie eh und je, präsentiert sich Bob Dylan auf seinem neuen Album »Tempest«. Höhepunkt ist der Titelsong, darin der Meister vierzehn Minuten lang ein Ereignis schildert, in dem sich die Katastrophen der Moderne verdichten – den Untergang der Titanic. Ein Alterswerk von fesselnder Intensität, das im Oeuvre des großen amerikanischen Songpoeten eine herausragende Stellung einnimmt. Für die Jury: Fritz W. Haver

Independent (bis 2014)

Grizzly Bear: Shields

Warp 229 (Rough Trade)

Zu Recht werden Grizzly Bear von Fachpresse und Kritik einhellig gelobt. Die Band aus Brooklyn hat sich Zeit gelassen für ihr neues Album. Und war der Vorgänger »Veckatimest« von 2009 ein Kracher im besten Sinne des Wortes, so haben sich Ed Droste, Daniel Rossen, Chris Bear und Chris Taylor auf »Shields« noch einmal selbst übertroffen und ihren Alternative Rock weiter verfeinert. Der Sound greift Richtung Folk ebenso aus wie hin zu Beach-Boys-Harmonien und liebäugelt gar mit Versatzstücken aus Jazz und Psychedelia. Für die Jury: Michael Fliegl

Nu & Extreme (bis 2014)

Jesse Boykins III & MeLo-X: Zulu Guru

Ninja Tune Zen CD 191 (Rough Trade)

»Zulu Guru« ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Singer/Songwriter Jesse Boykins III und Produzent/MC MeLo-X. Auf dem ersten gemeinsamen Langspieler verbinden die beiden ihre eigenwilligen Ansätze von HipHop und Soul. Mit Acts wie How To Dress Well oder The Weeknd teilen Jesse Boykins III & MeLo-X eine Sound gewordene Skepsis gegenüber dem Dicke-Hosen-Gehabe vieler Rapper und eine stilistische Offenheit, wie sie einst Prince und Michael Jackson zu ihren besten Zeiten bewiesen. Für die Jury: Klaus Walter

Blues

B.B. King: Ladies & Gentlemen ...

Mr. B.B. King. 10 CD Edition, Universal 06007533-84992

Diese 10-CD-Box dokumentiert ebenso anschaulich wie umfassend die Plattenkarriere des mittlerweile siebenundachtzigjährigen B.B.King von den Anfängen 1949 bis hin zu seinem letzten Studioalbum »One Kind Favor« aus dem Jahr 2008. Abgerundet wird die Edition durch ein Hardcover-Buch mit diversen Fotos, zwei Essays über Kings Leben und Werk sowie detaillierten diskografischen Angaben zu allen 194 Tracks des Sets. Eine rundum gelungene Würdigung der musikalischen Lebensleistung des »King of the Blues«. Für die Jury: Michael Seiz

R&B, Soul und Hip-Hop

Kendrick Lamar: good kid, m.A.A.d city

Interscope 0602537156535 (Universal)

Ist der fünfundzwanzigjährige Kendrick Lamar schon der neueste »Messias« des Westküsten-Rap? Weder neu noch überraschend erscheint das Szenario seines als Kurzfilm unter dem Motto »Ein Tag im Leben des Teenagers Kendrick« angelegten Albums: jugendlicher Sex, drogenbefeuerte Großmannssucht, Sauforgien, Gewalt, Fantasien von Reichtum, Gangleben, Ghetto-Realität. Doch Kendrick Lamar hat viel daraus gemacht: Er hat einen musikalischen Bildungsroman aus South Central L.A. geschrieben, erzählt aus der Perspektive des Bußfertigen. Dabei nutzt er das gesamte Instrumentarium sowie alle Stimmlagen des zeitgenössischen HipHop, überzeugend auf ganzer Länge. Das ist tatsächlich so etwas wie eine Erlösung. Für die Jury: Christian Tjaben

Wortkunst

Erzählerstimmen: Die Bibliothek der Autoren

183 Autorinnen & Autoren, 100 Jahre Erzählung im Originalton. Herausgegeben von Christiane Collorio, Michael Krüger und Hans Sarkowicz. 44 CDs. Der Hörverlag ISBN 978-3-86717-742-9

Radio und Literatur – das war in Deutschland von Beginn an eine enge Liaison, von der zunächst das Hörspiel profitierte. Später kamen die Autorenlesungen hinzu, die bis heute fester Bestandteil der Kulturprogramme der ARD sind. Drei Herausgeber – Christiane Collorio (Lektorin/ Der Hörverlag), Hans Sarkowicz (Hessischer Rundfunk/ Leiter Ressort Kultur und Wissenschaft) und Michael Krüger (Verlagsleiter des Carl Hanser Literaturverlags) – haben diese Schätze gehoben: 183 Stimmen von Autorinnen und Autoren aus 100 Jahren bis in die Gegenwart, 183 Geschichten im O-Ton auf 44 CDs, von Arthur Schnitzler bis Feridun Zaimoglu, von Elisabeth Langgässer bis Juli Zeh. Faszinierende Begegnungen mit fast allen Größen der deutschsprachigen Literatur. Für die Jury: Wend Kässens

Kinder- und Jugendaufnahmen

Nasreddin Hodscha, Paul Maar: Das fliegende Kamel

Paul Maar, Capella Antiqua Bambergensis u.a. 2 CDs. CAB Records CAB-14 (Oetinger) ISBN 978-3-8373-0669-9

Alte sowie einige neu erfundene Geschichten von Nasreddin Hodscha, dem türkischen Eulenspiegel, werden hier gleich zweimal erzählt: einmal auf Deutsch von Paul Maar und Murat Coşkun, und auf der zweiten CD in der Sprache der Großeltern der jungen türkischstämmigen Deutschen. Auch die Stücke mit mittelalterlicher türkischer Musik bilden eine Brücke zwischen Orient und Okzident. Ein wertvolles Projekt des deutsch-türkischen Kulturdialogs. Für die Jury: Ingeborg Neumann

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