Bestenlisten

Mit einem Platz auf der Bestenliste werden vierteljährlich die besten und interessantesten Neuveröffentlichungen der vorangegangenen drei Monate ausgezeichnet. Bewertungskriterien sind künstlerische Qualität, Repertoirewert, Präsentation und Klangqualität. Die Longlists sind ab 2014 direkt bei jeder Bestenliste hinterlegt.

Bestenlisten

Orchestermusik und Konzerte

Lutoslawski: Die Symphonien

Witold Lutoslawski: Fanfare for Los Angeles Philharmonic. Symphonien Nr. 1-4. Los Angeles Philharmonic, Esa-Pekka Salonen. 2 CDs. Sony 88765440832

Eine Edition zum hundertsten Geburtstag von Witold Lutoslawski: Seine vier im Laufe eines halben Jahrhunderts, zwischen 1947 und 1992 komponierten Symphonien spiegeln die stilistische Entwicklung dieses bedeutenden polnischen Komponisten in prägnanter Form wieder. Die Live-Aufnahmen mit den Los Angeles Philharmonic unter der Leitung ihres langjährigen finnischen Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen, der mit Lutoslawski befreundet war und sich für dessen Werke von Jugend an einsetzte, entstanden zwischen 1985 und 2012. Eine Referenz-Einspielung, die Lutoslawskis Musik in all ihren Facetten zum Leuchten bringt. Für die Jury: Peter Stieber

Kammermusik

Carl Maria von Weber: Sechs Sonaten

für Klavier & Violine op. 10, Klavierquartett op. 8. Isabelle Faust, Alexander Melnikov, Boris Faust, Wolfgang Emanuel Schmidt. harmonia mundi HMC 902108

Dass neben dem Erfolg das Unbekannte verdorrt, dass von Carl Maria von Weber letztlich nur der »Freischütz« etwas taugen soll – das nehmen die Geigerin Isabelle Faust und Alexander Melnikow am Fortepiano nicht hin. Sie fassen die kleinen Sonaten ernst und lustig auf, wild und stachlig, und verbinden Intelligenz und Lebensgier, dass es uns die Ohren freifegt. Nebenwerke? Ein Begriff für die Bequemen. Den Großen ist nichts zu klein. Für die Jury: Volker Hagedorn

Tasteninstrumente

Götterdämmerung. Wagner-Transkriptionen

für zwei Klaviere von Alfred Pringsheim, Claude Debussy, Paul Dukas und Max Reger. Piano Duo Yaara Tal & Andreas Groethuysen. Sony 88765441592

Geübten Wagnerianern ebenso wie den neu Hinzukommenden bietet das Klavierduo Yaara Tal & Andreas Groethuysen wichtige Passagen aus dem Opernschaffen des Jubilars gleichsam auf einem pianistischen Lehrpfad. Diese im Original vom Gesang bestimmten Ausschnitte wirken in den Klavieradaptionen entschlackt und verschlankt, zuweilen geradezu im akustischen Sinne »begehbar«. Tal und Groethuysen behalten in allen Verdichtungen, die ihren Instrumenten im Sinne einer imaginären »Inszenierung« abverlangt werden, im wahrsten Sinn des Wortes die Oberhand, schichten, staffeln, beleben und lassen erschlaffen. Und auch klanglich ist diese Produktion mehr als zweckdienlich. Alfred Pringsheims »Götterdämmerung«-Bearbeitungen werden hier zum ersten Mal vorgelegt, von der französischen Rezeption der Wagnerschen Musik künden die Übertragungen von Claude Debussy und Paul Dukas. Für die Jury: Peter Cossé

Tasteninstrumente

Das Genie des Cavaillé-Coll

Michel Bouvard, Gerard Brooks, Ronald Ebrecht, Jean-Pierre Griveau, Olivier Latry, Eric Lebrun, Kurt Lueders, Thomas Monnet, David Noël-Hudson, Pierre Pincemaille, Daniel Roth, Carolyn Shuster Fournier. 3 DVDs, 2 CDs. Fugue State Films 2305043 (Naxos)

Eine fabelhafte Box, die da als nachträgliches Präsent zum 200. Geburtstag von Aristide Cavaillé-Coll daherkommt! Sie bietet eine fundierte Dokumentation zu Leben und Oeuvre dieses wohl wichtigsten Orgelbauers des 19. Jahrhunderts. Auf drei DVDs und zwei CDs stellen Organisten wie Pierre Pincemaille, Daniel Roth oder Olivier Latry ihren luxuriösen Arbeitsplatz vor und spielen Stücke, die für diese grandiosen Instrumente geschaffen wurden. Einfach faszinierend! Für die Jury: Martin Hoffmann

Oper

Richard Wagner: Die Walküre

Nina Stemme, Anja Kampe, Jonas Kaufmann, René Pape, Mikhail Petrenko u.a., Mariinsky Orchestra, Valery Gergiev. 4 SACDs. Mariinsky MAR 0527 (Note 1)

Das Ereignis dieser Aufnahme ist der Wotan von René Pape, der nicht nur göttlich donnert, sondern vor allem die Erzählungen mit Geschmack und vokalen Farben gestaltet. Jonas Kaufmann ist ein kraftvoller Siegmund, Anja Kampe eine verletzliche, überragende Sieglinde, mühelos singt Nina Stemme die Brünnhilde, und bestens studierte russische Sänger runden diese herausragende Live-Einspielung ab. Valery Gergiev und das Orchester des Mariinsky-Theaters überraschen mit einem typisch deutschen, dunklen Mischklang. Diese optimal besetzte »Walküre« ist der Auftakt zu einem neuen »Ring«. Wenn’s ähnlich weitergeht, liegt Bayreuth bald in St. Petersburg. Für die Jury: Robert Braunmüller

Chor und Vokalensemble

Benjamin Britten: The Sacred Choral Music

Choir of New College Oxford, Edward Higginbottom. 2 CDs. Novum NCR 1386 (harmonia mundi)

Wenn das Wort nicht so verdächtig nach perfekter, geleckter Langeweile klänge, gäbe es für diese Edition mit Benjamin Brittens geistlicher Chormusik nur ein Wort: makellos. Der Choir of New College Oxford unter seinem Chorleiter Edward Higginbottom – ein Knabenchor von erlesenem Niveau – singt nicht nur traumwandlerisch schön, sondern auch mit einem lyrischen Schwung, dass die Musik wie von selbst zu atmen beginnt. Vertreten sind, unter anderem, so wunderbare A-cappella-Werke wie die frohlockende »Hymn to St. Cecilia«, die tiefsinnig-berauschende »Ceremony of Carols«, der geistvolle Zyklus »Rejoice in the Lamb« und die berückende Missa Brevis in D. Wieder zeigt sich Brittens Begabung, grandios belkantisch zu komponieren, ohne harmonische und kontrapunktische Reize abzuknicken. Für Chormusik-Fans und solche, die auf der Suche nach spiritueller Chorliteratur sind, ist diese Aufnahme unentbehrlich – legt jedoch die Latte für letztere hoch! Für die Jury: Wolfram Goertz

Klassisches Lied und Vokalrecital

Poèmes – Debussy

Claude Debussy: Cinq poèmes de Charles Baudelaire, Trois poèmes de Stéphane Mallarmé, Deux Romances, Fêtes Galantes, Le promenoir des deux amants, Nuit d’étoiles, Fleur des blés. Stella Doufexis, Daniel Heide. Berlin Classics 0300524 BC (edel)

Stella Doufexis schlägt mit diesem eindrucksvollen Recital einen Bogen von Debussys frühen, noch durchaus traditionellen Vertonungen bis zu seinen späten, tief in die Sprachphysiognomie von Stéphane Mallarmé und Tristan L’Hermite hineinlotenden Klangerkundungen. Ihre Stimme, stilistisch geschult von Händel bis zur Moderne, erweist sich dabei als enorm flexibel, sie findet eine perfekte Balance zwischen Zurückhaltung und fein gesetzten Klangvaleurs. Und Pianist Daniel Heide ist ein hellhöriger Partner. Für die Jury: Stephan Mösch

Alte Musik

Carlo Gesualdo: Sesto Libro di Madrigali 1611

La Compagnia del Madrigale. Glossa GCD 922811 (Note 1)

Das sechste und letzte Madrigalbuch des Fürsten von Venosa, 1611 im Druck erschienen, ist ein Gipfelwerk des musikalischen Manierismus. Das noch junge Ensemble La Compagnia del Madrigale, zusammengesetzt aus ehemaligen Sängersolisten des Concerto Italiano und La Venexiana, realisiert die emotionale Fieberkurve dieser Musik und ihre chromatische Exzentrik mit stimmlicher wie expressiver Perfektion – eine Aufnahme, die die Intellektualität und Klangsensibilität von Gesualdos Kunst aufs Vollkommenste ausbalanciert. Für die Jury: Uwe Schweikert

Zeitgenössische Musik

Michael Reudenbach: Szenen, Standbilder

Werke 1991-2009. 2 CDs. Edition RZ ed. RZ 10021-22 (Eigenvertrieb)

An Klangsetzkästen aus Zeit lassen diese Stücke denken: äußerst sparsam bestückt mit munkelnden Tonzeichen, Geräuschfundsachen, ins Irreguläre kippenden Pulsationen, skelettierten Nachtschattenereignissen. Und in dem, was an Stille ins Unendliche sich weitet, kann man lauschend den Nachhall eines existenziellen Bebens gewahren. Die Interpreten agieren hochakkurat und mit heilig-nüchternem Ernst. Für die Jury: Helmut Rohm

Historische Aufnahmen

Legendary Van Cliburn: Complete Album Collection

Philadelphia Orchestra, Chicago Symphony Orchestra, Eugene Ormandy, Fritz Reiner u.a. 28 CDs, 1 DVD. RCA Red Seal 88765407232 (Sony)

Van Cliburn spielte 1958 im ersten Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb seine Mitbewerber so an die Wand, dass das Publikum außer Rand und Band und die russische Jury in die Klemme geriet: Sie holte sich bei Chruschtschow persönlich die Erlaubnis, den ersten Preis einem Repräsentanten des damaligen Klassenfeinds zuzuerkennen – entgegen aller Erwartung bei diesem Wettbewerb, der die russische Überlegenheit nicht nur in Sachen Sputnik zeigen sollte. Es darf als sicher gelten, dass sich Cliburn dann zeit seines Lebens von dieser »Tschaikowsky-Hypothek«, bei recht unterschiedlichen Leistungen auf dem Podium und im Studio, nicht mehr befreien konnte. Doch wo er zu gelöster Verfassung fand, gelang ihm immer wieder Außergewöhnliches. Vielleicht das überraschendste Beispiel in der Box: die Händel-Variationen von Brahms. Für die Jury: Wolfgang Wendel

Grenzgänge

KAMINSKI ON AIR: Der Ring des Nibelungen

Buch & Regie: Stefan Kaminski nach Richard Wagner. Mit Stefan Kaminski, Stefan Brandenburg, Sebastian Hilken, Hella von Ploetz, Natascha Zickerick. 4 DVDs. DIE THEATER EDITION 10137 (harmonia mundi)

Mit sinnlicher Spielfreude, einfühlendem Pathos und kabarettistischer Überspitzung, mit Wortschwelgerei und mimisch-gestischem Minimalismus, genialen Ausstattungsideen sowie fantasytauglichen Lichteffekten inszenieren Stefan Kaminski (der zugleich alle Rollen selbst rezitiert) und seine vier Instrumentalvirtuosen den »Ring des Nibelungen«, sehr frei nach Wagner. Ein Bühnenweihfestspiel bester Art. Für die Jury: Nikolaus Gatter

Filmmusik

John Williams: Lincoln

Original Motion Picture Soundtrack. Chicago Symphony Orchestra & Chorus, John Williams. Sony 88725446852

In dieser 25. Arbeit für einen Kinofilm von Steven Spielberg, im 40. Jahr ihrer Partnerschaft, vermag es John Williams wieder, große, wenn nicht gar staatstragende Emotionen zu erzeugen – ohne sich nur einen Moment in den Vordergrund zu spielen. Zu der cineastischen Huldigung von Abraham Lincoln setzt diese »Americana« die akustischen Sahnehäubchen: dramaturgisch effektiv und wunderbar facettenreich in der Instrumentierung, vom Solo-Klavier über den typischen Südstaaten-Fiddler bis hin zur Marching Band in Kombination mit patriotischem Chorgesang und symphonischem Orchester. Für die Jury: Matthias Keller

Musikfilm

Maestro Or Mephisto: The Real Georg Solti

Ein Film von Andy King-Dabbs. Plácido Domingo, Angela Gheorghiu, Kiri Te Kanawa, Valery Gergiev, Murray Perahia u.a. Arthaus Musik 101662 (Naxos)

Kühn gesagt: »Ich wäre auch zur Hölle gefahren, um arbeiten zu können.« So Sir Georg Solti, dessen grandiose Karriere sich einer vitalen Haltung verdankte, verbunden mit Arbeitswut, Disziplin und kreativem Vermögen. Die Dokumentation von Andy King-Dabbs beschreibt in Stellungnahmen von Mitarbeitern, Zeitzeugen und nicht zuletzt in Aussagen des Maestros selbst die Lebensleistung dieses großen Dirigenten in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts. Für die Jury: Lothar Prox

Musikfilm

Dino Saluzzi, Anja Lechner: El Encuentro

Ein Film von Norbert Wiedmer & Enrique Ros. Tigran Mansurian, George Gruntz, Felix Saluzzi u.a. ECM DVD 5051 (Universal)

Behutsam beobachten Kamera und Tontechnik, wie der Bandoneon-Virtuose Dino Saluzzi und die Cellistin Anja Lechner zusammenarbeiten. Lechner erkundet außereuropäische musikalische Welten, Saluzzi nähert sich dem Jazz: zwei Arten des Ausbruchs aus der gewohnten Umgebung. Die Filmemacher zeichnen nach, wie sich aus dem jeweiligen Suchen der ungleichen Charaktere zunächst eine Kennenlern-Situation, allmählich Verständnis, schließlich musikalische Partnerschaft entwickelt. Eine leise, zarte Dokumentation. Für die Jury: Werner Stiefele

Jazz

Tobias Becker Bigband: Life Stream

Neuklang NCD 4068 (New Arts International)

Der Bandleader, von Haus aus Pianist, schrieb für sein siebzehnköpfiges Ensemble Arrangements, in denen sich die Traditionslinien der großen Jazzorchester überkreuzen: von Woody Herman mit seinem Four-Brothers-Saxofonsatz und der Power eines Thad Jones bis zum Klangvolumen von Count Basie. Dabei schreibt Tobias Becker nicht nur effektvolle Tutti um die Soli, er arrangiert für die Solisten auch einen abwechslungsreichen und farbenprächtigen Hintergrund. Das junge Team aus Mittzwanzigern spielt ohne Zugeständnisse an den Elektro-Zeitgeist modernen, packenden Bigband-Jazz. Für die Jury: Werner Stiefele

Jazz

Peter Brötzmann’s Long Story Short

Peter Brötzmann u.a. 5 CDs. Trost TR 112

Ein viertägiges Festival für einen einzigen Musiker, der dazu einladen kann, wen er will – das gibt es in der europäischen Jazzgeschichte wohl nur einmal. Und zwar beim Festival im oberösterreichischen Wels, dies auch noch als seit vielen Jahren gepflegte Tradition. In der ehrenvollen Mitte der Veranstaltung stand zuletzt Peter Brötzmann, der charismatische Vertreter der freien Formen fast eines halben Jahrhunderts. Zu hören ist er auf den fünf CDs dieser Box in den verschiedensten internationalen großen und kleinen Besetzungen, vom kollektiven Energiespiel bis zum fast intimen, dialogintensiven Gedankenaustausch, etwa mit japanischen und afrikanischen Musikern. Ein editorisches und organisatorisches Meisterwerk, das historische Informationsfülle und prall gegenwärtige Spielkunst vereint. Für die Jury: Ulrich Olshausen

Weltmusik

Ana Moura: Desfado

Universal 0602537228584

Fernab von Melancholie, Weltschmerz oder persönlichen Dramen präsentiert die junge portugiesische Sängerin Ana Moura einen Fado, der zugleich Nicht-Fado ist – unbeschwert, modern, weltoffen sowie frei von emotionalem Ballast. Entschlossener als andere wagt sie mit »Desfado« den Blick nach vorn und entwirft ein Konzept für Gegenwart und Zukunft – für zutiefst portugiesische Musik auf hohem Niveau, die universal ist und sich spielerisch mit Jazz und Pop verbindet. Für die Jury: Rainer Skibb

Traditionelle Ethnische Musik

Diverse: South India

Music of the Nilgiri Hills. Ocora Radio France OCR 560250/51 (harmonia mundi)

Die Welt und ihre Musik sind nicht komplett globalisiert. Eine CD mit Musik der Kota, Toda, Irula und Kurumba steht als Beleg dafür. Diese kleinen Völker und Volksgruppen leben im Bergland von Nilgiri im Süden Indiens. Trotz ihrer zurückgezogenen Lebensweise hält jetzt die IT-Welt dort Einzug, und so sind diese unberührt wirkenden Gesänge ein bewegendes Zeugnis aus einer Zeit, als alle Musik noch live und handgemacht war. Für die Jury: Hanni Bode

Liedermacher

Manfred Maurenbrecher: no go

Reptiphon 06686 (Broken Silence)

Auf Manfred Maurenbrechers jüngstem Werk stimmt alles (nicht). »no go« war als Rough Mix gedacht, wurde spontan indes zum fertigen Album erklärt. Primär dominiert die Band-Dynamik, das vertraute Alleinunterhalter-Duo Maurenbrecher & Klavier befindet sich nun in schöpferischem Einklang mit E-Gitarre, Geige, Orgel, Trompete, Chor. Der fabulierende Gesang von Maurenbrecher gleicht zunehmend einem verhinderten Raucherhusten, therapiert von leuchtenden musikalischen Arrangements. Bewährt faltenlos die Kompositionen und Texte zum Zeit- wie Alltagsgeschehen – etwa zum Tod. Nicht nur durch die deutsche Coverversion von »Dead Is Not The End« nähert sich Maurenbrecher allmählich und ungewollt Bob Dylan. Für die Jury: Jochen Arlt

Folk und Singer/Songwriter

Richard Thompson: Electric

Proper Records PRPCDX 108 (Rough Trade)

Ob Folk- oder Popsong, fesseln können beide, wenn der Refrain gut ist und die Geschichte interessant. Genau an diesen Leitsatz hält sich die britische Folkrock-Legende Richard Thompson seit über 46 Jahren. Thompsons Fähigkeiten als Songwriter sind auch auf diesem Album magisch. Die Texte transportieren klare, nachvollziehbare Erkenntnisse mitten aus dem Leben. Und Thompsons oft bewundertes Gitarrenspiel kommt hier besonders zur Geltung. Er wartet von Beginn an mit vielen großartigen Riffs auf, die den Charakter der Platte entscheidend prägen. Für die Jury: Jo Meyer

Pop

Nick Cave & The Bad Seeds: Push The Sky Away

Bad Seed BS 001 CD (Rough Trade)

Im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte hat Nick Cave zahlreiche Manifeste der Dunkelheit veröffentlicht. Mit »Push The Sky Away« jedoch entrümpelt er seinen kleinen Horrorladen und macht Platz für ein bisschen freundliche, versöhnliche Melancholie. In den neun karg arrangierten Liedern deklamiert er seine Visionen von Liebe und Meerjungfrauen, Einsamkeit und Hoffnung. Es sind Melodien und Ahnungen an der Grenze zum Traumgesichtigen, die gerade durch die Reduktion auf ein Minimum der Effekte, durch die hypnotischen Verse von Nick Cave und die herausragend lakonischen Bad Seeds aus dem Rahmen fallen. Für die Jury: Ralf Dombrowski

Independent (bis 2014)

Rhye: Woman

Island 0602537169528 (Universal)

Der Däne Robin Braun alias Robin Hannibal und der Kanadier Mike Milosh legen mit »Woman« ein bemerkenswert ausgereiftes Debütalbum mit hohem Suchtpotenzial vor. Das liegt vor allem am Gesang von Mike Milosh: Diese glasklare, fragile Soul-Stimme lädt die zehn Tracks mit samtener androgyner Erotik auf. Robin Hannibal umschmeichelt sie mit flauschigen Arrangements aus Soul und Pop und gezielten Funk-Spritzen. So klingen Rhye wie eine glückliche Liaison von Smokey Robinson und Sade. Für die Jury: Manfred Gillig-Degrave

Nu & Extreme (bis 2014)

Metaboman: Ja/Noe

Musik Krause MKCD/LP 005 (Kompakt)

»Krauzy schrouse and trashno« – so nennt der Metaboman aus dem Hause Musik Krause seine Musik. Endlich mal wieder ein neues Genre. Der Metaboman heißt eigentlich Wendelin Weißbach, er bildet zusammen mit Stefan Carl alias Carlson Basu eine Hälfte des Krause Duos und ist damit eine Schlüsselfigur der hochproduktiven Elektronikszene in Jena. Nach der »Pechno EP« folgt jetzt das Album mit dem ebenso sprechenden wie rätselhaften Titel »Ja/Noe«. Hierfür hat der Metaboman »einen Haufen Stücke, die aus Jams mit Freunden entstanden sind«, zu einem Ganzen arrangiert, mehr oder weniger prominente Gäste geben sich Mikrofone und Klinken in die Hand. Das Ergebnis ist äußerst abwechslungsreich. Für die Jury: Klaus Walter

Blues

Robben Ford: Bringing It Back Home

Provogue PRD 7388 2 (Rough Trade)

Der Gitarrist und Sänger mixt den Blues mit kühlem Funk-Jazz, relaxtem Soul und reichlich New Orleans-Roots – Gitarre, Hammond B3 und Posaune bei einem Gipfeltreffen des zeitlos guten Geschmacks. Selten begegnen sich Tradition und Moderne so entspannt auf Augenhöhe. Für die Jury: Christian Pfarr

R&B, Soul und Hip-Hop

Bilal: A Love Surreal

bbe 312392 (Alive)

Wie klingt surreale Liebe? Laut Bilal (Beloved, intelligent, lustful and living it) wie eine Mixtur aus Slow-Motion-Funk, dubbigen Electro-Beats und Singer/Songwriter-Soul. Dabei gelingt es dem vielleicht originellsten Soul-Sänger unserer Zeit, nie beliebig, oft nach Prince und immer erotisch zu klingen. Mit Hilfe u.a. von Robert Glasper sowie den Produzenten Shafiq Husain und »Commissioner« Gordon Williams hat das einstige Wunderkind aus Philadelphia mit »A Love Surreal« sein Meisterstück geschaffen, das den modernen Soul in eine wunderbare Richtung weist. Für die Jury: Götz Bühler

Wortkunst

Oskar Pastior: Lesen gehn ...

Gedichte, gelesen und teilweise kommentiert von Oskar Pastior, Urs Allemann, Oswald Egger, Péter Esterházy, Michael Krüger, Michael Lentz, Herta Müller, Ulf Stolterfoht und Ernest Wichner. 2 CDs. Hörbuch Hamburg ISBN 978-3-89903-380-9

Die Wortmusik des aus Siebenbürgen stammenden Oskar Pastior, vom Ende her gespielt: von ihm selbst und seinen dieser Musik nachhörenden Kollegen – von Urs Allemann, Oswald Egger, Péter Esterházy über Michael Krüger und Michael Lenz bis zu Herta Müller, Ulf Stolterfoth und Ernest Wichner. Der Sprachvirtuose über alle Grenzen hinaus, sein Leben und seine post mortem bekanntgewordene Verstrickung mit der Securitate treten hier ins Bewusstsein: ein später, so artistischer wie nachdenklicher Nachruf. Annäherungen, Aneignungen, Einblicke: Ein literarisch-musikalisches Ereignis. Für die Jury: Wend Kässens

Kinder- und Jugendaufnahmen

Robert Louis Stevenson: Die Schatzinsel

Georg Eilert, Andreas von der Meden, Uwe Friedrichsen, Joseph Offenbach u.a. 2 CDs. Sauerländer audio ISBN 978-3-411-81213-4

Dieses Hörspiel aus der Schatzkiste des NDR beweist, dass es möglich ist, einem Klassiker der Abenteuerliteratur neues Leben einzuhauchen.Fesselnd vom Anfang bis zum Ende, mit großartigen Sprechern besetzt, wird »Die Schatzinsel« von Robert Louis Stevenson zu einem spannenden Hörerlebnis für kleine und große Zuhörer. Für die Jury: Margit Hähner

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